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Kurpfalz und Kurfranken
Kurfranken
Kurfranken
Kennt kaum keinen und doch gibt es diesen äußersten westlichen Zipfel Bayerns. Ee führt von Main-Knie auf der Siegfriedstraße durch das Nibelungenland.
 
 
Von Würzburg aus kommt man bequem mit der Bahn oder dem Auto zum südlichen Main-Knick in das magische Dreieck, das die drei ehemals churfränkischen Städte Miltenberg, Bürgstadt und Kleinheubach bilden. Schon vor ihrer kurfürstlichen Zeit als westlichster Zipfel von Bayern, ist dieses Stückchen Erde mit Geschichte(n) aufgeladen gewesen. Für die Römer bildete der Main hier einen Teil des „nassen Limes“. Zusätzliche Befestigungsanlagen außer den Garnisonen, den heutigen Städten des Maindreiecks, waren also nicht notwendig. Nach den Römern betraten in der Zeit der Völkerwanderung viele unterschiedliche Volksgruppen diesen Landstrich. Hervorzuheben und literarisch mannigfach tradiert ist die der sog. Nibelungen.
 
Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos, das in das sog. „heroische Zeitalter“ der Völkerwanderung zurückreicht und die Zerschlagung des Burgunderreiches am Rhein durch den römischen magister militum Flavius Aetius 436 und hunnische Hilfstruppen thematisiert. Die Burgunder dienten zunächst ebenfalls als römische Hilfstruppen (foederati), und waren mit der Sicherung der Rheingrenze beauftragt. In einer Schwächeperiode des römischen Reiches versuchten sie ihre Machtposition auszuweiten. Ihren Vertragsbruch bestrafte Aetius hart. Das burgundische Herr wurde vernichtend geschlagen, die Überlebenden zogen sich in die Savoyen zurück. Obwohl die Sage auf geschichtlichen Fakten und Personen beruht, wurde ihre literarische Umsetzung frei davon zusammengestellt. Das Werk besteht aus zwei Teilen: dem ersten Teil, der Siegfriedsage, die in Kurfranken spielt und dem zweiten Teil, dem Zug der Nibelungen, der z.T. in Passau spielt. Besonderes ausgeschmückt wird darin der Einzug Königin Kriemhilds. Der unbekannte Autor hat die Textfassung zwischen 1190 und 1210 geschrieben oder diktiert und wird im Umkreis des Passauer Bischofs Pilgrim, der mehrmals in Nibelungenlied genannt wird, verortet. Pilgrim selbst spielt bei den Einfällen der Ungarn und deren späteren Christianisierung im 10. JH eine wesentliche Rolle. Eine Textfassung des Nibelungenliedes, „das Buch Chreimhilden“, wurde zunächst in der Burg Prunn im Altmühltal verwahrt und auf Anordnung von Ludwig I. als Denkmal deutscher Vergangenheit in die Bayerischen Staatsbibliothek verbracht.
 
Das Nibelungenlied ist in sangbaren Strophen gedichtet (der sog. Nibelungenstrophe). Von Form, Epik und Thematik unterscheidet es sich wesentlich von der zeitgenössischen Erzählliteratur. In ihm werden hauptsächlich die unterschiedlichen Konzepte damaliger feudaler Gesellschaften (Ministeriale, Vasallentum, Gefolgschaftswesen) und Geschlechterrollen thematisiert. Der Wandel der weiblichen Geschlechterrolle manifestiert sich an der Figur der Kriemhild. Zunächst ordnet sie sich geschlechterkonform den Brüdern und Mann unter und akzeptiert deren Züchtigungsrecht. Doch mit dem Vollzug der eigenständigen Rache an Hagen, verlässt sie ihre „angestammte“ Rolle und gerät damit in Konflikt mit dem männlichen Heldenbild. Für ihn, den Mann/Held, ist es ein no go, dass eine Frau einen (anderen) Helden tötet. Für den Getöteten ist ein so erfolgter Tod schandhaft, da ihm damit das höchste Kriegsziel, das Erreichen von Nachruhm, verwehrt bleibt. Die dies verursachende Frau, kann deshalb nur mit dem Tod bestraft werden. Wen das an heute noch praktizierte Verhaltensmuster wie geduldete oder befohlene Fememorde oder Heldentaten mit jenseitiger Belohnung (IS) erinnert, mag nicht fehlen. Sie fußen auf ebendieser historischen Basis.
 
Damit hat diese Gegend bis in den Odenwald ihren heute touristisch benutzten Namen als Nibelungenland mit (s)einer Siegfriedstraße weg.

Auf dem Weg
Den ersten Eckpunkt im Mainknick bildet Bürgstadt. Im Mittelalter berühmt für seine Steinsarkophage und den hier hergestellten Rotwein (sog. „Börscheder“), spielte es wie die Nachbarorte auch in der damaligen Hexenverfolgung eine unrühmliche Rolle. Sehenswert ist die sog. Armenbibel in der Martinskapelle. Die vollständig erhaltenen bildhaften Darstellungen von Szenen der Heiligen Schrift (1593) sollten auch Leseunkundigen eine Vorstellung der Heilsgeschichte geben.
 
Gegenüber von Bürgstadt auf der anderen Mainseite liegt Kleinheubach, das als Königsgut seit 1455 unter Herrschaft der Grafen von Erbach stand. Zwischen 1815 und 1835 wurde es im klassizistischen Stil umgebaut. Beeinflusst von Napoleons Feldzug in Ägypten, finden sich mannigfache ägyptisierende Elemente im Stadtbild, die auch von der jüdischen Bevölkerung für deren Sakralbauten aufgenommen wurden.
 
Den südlichen Zipfel des Dreiecks bildet Miltenberg. Erstmals 1237 erwähnt, hat die ehemalige Handelsstadt ihr mittelalterliches Stadtbild mit seinen verwinkelten Gassen, reich bemalten Fachwerkfassaden und geschnitzten Türstöcken weitgehend erhalten können. Die Altstadt besticht nicht nur durch eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands, die Fürstenherberge „Zum Riesen“ (159), in der ein eigens für die Wirtschaft hergestelltes Bier ausgeschenkt wird, sondern auch durch die alte Synagoge, die um 1290 errichtet zu den ältesten im originalen Mauerwerk erhaltenen jüdischen Sakralbauten in Europa gehört. Wie viele anderen Städte auch wurde an die Miltenberger ein Spitzname vergeben. Sie sind in der Region als die „Staffelbrunser“ bekannt, wohl eine Verballhornung aus dem Staffelbrunnen, aus dem sie ihr Trinkwasser geschöpft haben, und dem hiesigen Wort für urinieren („brunsen“). Mit der Auflösung des Mainzer Kurstaats 1803 war Schluss mit lustig. Erst recht als die Churfranken ab 1816 bayerisch wurden. Ab diesem Zeitpunkt waren sie nicht mehr im Zentrum der Verkehrswege, sondern am Arsch von Bayern, da half ihnen auch die Anrufung des Handelsgottes Merkur (römische Tempel) am Hang des Greinberges nichts mehr.
 
War es bis jetzt kleinräumig, kommt man endlich ins „rollen“. Über die Barockstadt Amorbach mit seiner fürstlicher Abtei derer zu Leiningen und seiner unter Denkmalschutz stehende Altstadt, in der sich mit dem Templerhaus 1291 das älteste Fachwerkhaus Bayerns befindet, kommt man auch wieder den Nibelungen oder zumindest den diese Sage verbreitenden Minnesängern auf die Spur. Auf der Burg Wildenberg, eine der kunst- und literaturgeschichtlich sowie historisch bedeutendsten deutschen Burgen, hat Wolfram von Eschenbach Teile des Parsival-Epos verfasst, an Zittenfeldener Quelle soll der Held Siegfried erschlagen worden sein soll und in Reuenthal, einem Ort mit Wassermühle, soll sich das Geburtshaus des Minnesängers „Nithard“ von Reuenthal befunden haben.
 
Über Mudau, Limbach und Fahrenbach kommt man schließlich nach Mosbach und den Neckar. Hier stößt man unwillkürlich auf den Ritter mit der eisernen Hand, Götz von Berlichingen. Geboren und begraben am Neckarzufluss Jagst (Jagsthausen bzw. Kloster Schöntal) hat er hier in der nahe gelegenen Burg Hornberg sein gefürchtetes Handwerk ausgeübt.
 
Das Götz Zitat aus Goethes gleichnamigen Drama kennt jeder, wenn auch in der falschen Zitierweise. Korrekt heißt es „er kann mich im Arsche lecken“. Goethes Quelle für dieses Stück war die von Tobias Pistorius 1731 herausgegebene „Lebensbeschreibung Herrn Götzens von Berlichingen, zugennat mit der Eisernen Hand, eines zu Zeiiten Kaysers Maximilian I. und Caroli V. kühnen und tapferen Reichs-Cavaliers“. Auch in den Lebenserinnerungen von Götz findet sich dieses Zitat nach seinem missglückten Versuch den Amtmann Stumpf in eine Falle zu locken „Er solt mich hinden lekhen!“, soll er erböst gesagt haben. Öffentlich verwendet, gilt dieses Zitat eigentlich als strafbare Beleidigung. Nicht so in Bayern. Da kommt es darauf an wer es ausspricht. Ein syrischer Asylbewerber ist wegen des Götz-Zitates verurteilt worden und hat sich auf den allgemeinen Gebrauch diese Zitates berufen. Der Richter hat ihm daraufhin erklärt, dass er als nicht Hiesiger nicht zwischen einer wohlmeinenden anerkennenden Bedeutung des bayrischen „ja leck mi om Oarsch“ und der beleidigenden Form unterscheiden könne, es also von ihm nur beleidigend gemeint sein könne.
 
Berlichingen wurde 1480 auf der Burg Jagsthausen geboren und wuchs am Hof des Markgrafen von Ansbach auf. In einer Zeit des Niedergangs des Rittertums nahm er an zahlreichen Fehden, Kämpfen, Brandschatzungen und Raubzügen teil. Im Krieg gegen die Bayern 1504 verlor er in einer Schlacht bei Landshut seine Hand. Damit schein sein weiteres Schicksal besiegelt. Doch ein Jagsthausener und ein Nürnberger Waffenschmied fertigten ihm je eine eiserne Hand, mit der er seinem „Handwerk“ weiter nachgehen konnte. Beide Meisterstücke befinden sich im Schlossmuseum Jagsthausen. 1516 nahm er Philipp von Waldeck gefangen, der sich für die damals enorme Summe von 8400 Gulden freikaufen musste. Von dem Lösegeld erwarb Götz die Burg Hornberg am Neckar. Wegen seiner Beteiligung an schweren Ausschreitungen während des Bauernkrieges wurde er in Augsburg zu 2-jähriger Haft verurteilt und musste Urfehde schwören, d.h. durfte seine Burg nicht mehr verlassen. 16 Jahre musste er das ertragen, dann rief ihn Kaiser Karl V. wieder zum Kriegsdienst. Gestorben ist er 1562 im hohen Alter von 82 Jahren, ein im wahrsten Sinne „alter Krieger“.