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Niederbayern
Auswanderung
Auswanderung - Nix wie raus oder Wer man selbst ist - das erfährt man erst aus dem Umgang mit Anderen der Fremde
Es ist noch gar nicht solange her, da war Deutschland ein Auswanderungs-, kein Einwanderungsland wie heute. Die Gründe für die Suche nach dem Glück in der Ferne haben sich aber wahrscheinlich nicht geändert: in dem angestrebten Zielland sollte es besser werden als in der Heimat und von allem sollte ein „Mehr“ vorhanden sein. Für die einen ist es die Lust am Abenteuer, die sie in die weite Welt führt, für die anderen ist es das „Nirwana“ abwärts der Donau. Dazwischen steht eine schöne, selbstbewusste Frau aus einfachen Verhältnissen, die aus Gründen der Staatsraison ihren Traum vom Glück nicht ausleben konnte.

Regensburger Dom, © Hans-Jürgen Hereth, 2023

"Judensau" am Regensburger Dom, © Hans-Jürgen Hereth, 2023

Neffe und Oheim, © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Die einst mächtige Reichsstadt Regensburg war im Gegensatz zu Passau eine Stadt ohne Gebiet, in der es nach Aachen und Köln die meisten Bettler in Deutschland gab. Sie kamen im Gegensatz zu den Teilnehmern der Reichstage nicht in den Genuss des angeboten Konfekts, das so viel gekostet haben muss, dass Regensburg gerne die Aufnahme ins Königtum annahm. Repräsentant der Stadt war der durch das Postmonopol reich gewordene Reichs-Oberpostmeister Fürst Taxis. Heute immer noch reich, wird das Haus von seiner exzentrischen Gattin geleitet („mei, in Afrika is hoit warm, da schnackslt ma hoit mehr“). Und der Kuriosa kein Ende. An den meisten Strebpfeilern des Doms soll ein in ein Loch kriechender Hund zu erkennen sein. Eine Referenz an den Namen des Dombaumeisters? Hieß er Hundsloch? Tatsächlich dürfte es sich aber um eine Vermengung zweier Phänomene handeln. Um die an der Außenseite angebrachten Wasserspeier in Hundeform und die beiden sich am Domeingang im Inneren auf der Westseite des Doms befindlichen dämonischen Wesen, die heute unter dem volkstümlichen Namen  „Der Teufel und seine Großmutter“  bekannt sind. Der christliche Erbfeind wird an der Außenseite der Fassade angeprangert. Direkt rechts neben dem Eingang zum Dom befindet sich auf halber Höhe das Relief der berühmt-berüchtigten „Judensau“. Darstellungen wie diese waren an mittelalterlichen Kirchen in Deutschland weit verbreitet. Diese hier ist eine den wenigen erhaltenen. Kontextuiert wird sie mit einer Tafel, die darauf hinweist, dass sich früher hier in unmittelbarer Nähe zum Dom das jüdische Ghetto befand. Der Dom selbst beherbergt noch die „Regensburger Domspatzen“, und einen „lachenden Engel“.

Regensburg, Steinerne Brücke © Hans-Jürgen Hereth, 2023

Regensburg, Brückenfigur © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Auch die steinerne Donaubrücke vermag eine besondere Geschichte zu erzählen. 1135-1146 erbaut war sie bis zum Bau der Passauer Donaubrücke die einzige von Ulm bis zum Schwarzen Meer. Die neue Brücke ermöglichte nun eine rasche und gefahrlose Flussüberquerung für die den „Weg Karls des Großen“ nehmenden und sich in Regensburg sammelnden Kreuzzügler. Und weil dies damals so ein Wagnis war, nahm man die Dienste des Teufels zu Hilfe. Die ersten Lebewesen, die über die Brücke gingen, sollten ihm gehören. Deshalb trieb man nach Fertigstellung einen kopflosen Hund und zwei Hähne darüber. Am Geländer sind sie immer noch zu besichtigen. Findet man sie nicht, das in die Ferne (zum Dom) schauenden Brückenmandl ist nicht zu übersehen und wird fleißig fotografiert. Von hier aus hat man von einen schönen Rundumblick auf die Altstadt, die beiden Wöhrdinseln und die Anlegstellen der Donau(dampf)schifffahrtsgesellschaften – ein wunderbares Beispiel komplexedr Mehrfachkomposita. Vor diesen Zeiten legten von hier auch die Auswandererschiffe ab.

Regensburg Ablegestelle, © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Die für damalige Verhältnisse gewaltigen Menschenmassen mussten versorgt, verpflegt und untergebracht werden. Regensburg wurde damit zu einem der wirtschaftlich und kulturell bedeutendsten Ort Süddeutschlands, der Händler und Kolonisten magisch anzog. Der Wasserweg auf der Donau ermöglichte eine rasche Beförderung großer Waren- und Menschenmengen in beide Richtungen. Reich wurde die Stadt durch den damit ermöglichten Orienthandel. Die Brücke selbst wurde auf Flugblättern und Bildern als Verbindungsglied zwischen „Teutschlands und Welschland“ gepriesen. Zum Ärger der bayerische Herzöge mussten sich diese im 13. Jahrhundert aus der Stadt verabschieden. Mit Freiheitsrechten privilegiert, unterstand die nunmehrige Freie Reichsstadt allein dem Kaiser und galt darum für viele  Jahrhunderte als „verlorene Hauptstadt Bayerns“.

Auch wenn die alte Reichsstadt in seiner Geschichte mehrmals ganz abgebrannt ist, zuletzt im 2. Weltkrieg als alliierte Bombengeschwadern den Regensburger Ölhafen, westlichster Umschlagpunkt des für die deutsche Kriegsführung unverzichtbaren rumänischen Öls angegriffen, so wirkt die Altstadt doch noch wie im Mittelalter, angefangen mit der Kopfsteinpflasterung. Am besten man erkundet sie am Morgen, wenn noch nicht so viele Menschen, Anwohner wie Touristen, hier durch die Gassen wuseln. Einfach von der Geschichte „treiben“ lassen.

Ungarn © Hans-Jürgen Hereth, 2023

Deutsche, © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Schwabenzüge

Als das Habsburger Reich noch ein Fliegenschiss in der Geschichte war, hatten Bayern und Ungarn eine gemeinsame Grenze. So fielen „wilde“ ungarische Reiterhorden (die Hunnen) in Bayern ein und im Gegenzug die Bayern in Ungarn. 955 am Lechfeld war es wieder einmal soweit, dass sie sich gegenseitig auf Köpfe und Schilder schlugen. Diesmal mit deutlichen Feldvorteil für Bayern. Archäologisch sichere Spuren und Quellen konnten von diesem Ereignis bisher nicht gefunden werden, dennoch sind sie in Teilen des Nibelungenliedes überliefert worden. Um danach die beiden Länder zu befrieden, wurde fleißig Heiratspolitik betrieben. Im 10. JH vermählten sich die Grafen Arnold und Wernher von Scheyern mit den ungarischen Prinzessinnen Agnes und Beatrix. Wesentlicher war aber 995 die Heirat der beiden „Königskinder“ Gisela, Tochter des Bayerischen Herzogs Heinrich des Zänkers, mit dem später so umbenannten Stephan, Sohn des ungarischen Königs, der 1083 wegen der Christianisierung Ungarns heilig gesprochen wurde. Das Band der Ehe und die Donau verbanden nun beide Länder.

Dieses Ereignis kurbelte natürlich auch die Handelsbeziehungen der beiden Länder an. Zwischen dem 11. und 14. JH waren Regensburger Juden wesentlich am Fernhandel und Transitgeschäften mit Osteuropa beteiligt. Ab dem 13. JH war Ungarn offen für deutsche Zuwanderer. König Andreas II. lud „Hospites Regni“ genannte Kolonialisten in sein „Land hinter den Wäldern“ (Transsilvanien) ein. Sich selbst bezeichneten sie, obwohl sie zumeist aus der Rhein- und Moselgegend stammten, als Sachsen, ihren neuen Siedlungsraum als Siebenbürgen. Ausgestattet waren sie mit im damaligen Europa einmaligen Sonderrechten. Sie waren Freibauern, Stadtbürger nach deutschen Recht oder Bergleute. Ihre Privilegien wurden im königlichen Freiheitsbrief von 1224 niedergelegt und hatten bis ins 19. JH hinein Bestand. Wenig später wanderten auch Familien der patrizischen Oberschicht aus Bayern ein, gründeten Städte nach deutschen Recht wie Ofen/Buda, Pest, Kaschau und Pressburg und halfen das Land zu erschließen und die Grenzgebiete (Karpaten, Siebenbürgen) zu sichern. Die Bodenschätze Ungarns, vor allem Silber, Eisen, Gold und Kupfer, lockten auch die Fugger an. Um ihre wirtschaftliche Macht zu stärken, verbanden auch sie sich familiär mit dem Gastland. Später oftmals der Reformation beigetreten.

Die zweite Erschließungswelle erfolgte im 17. JH. in das durch die Türkenkriege entvölkerte Ungarn in der „Schwäbischen Türkei“. Die habsburgischen Herrscher und die adeligen Grundherren wie der Würzburger Fürstbischof Schönborn warben erneut Kolonisten an. Diese zentral gelenkte Staatskolonisation (Peuplierung), richtete sich nur an Katholiken. Sie sollten den weitgehend entvölkerten und unbestellten ungarischen Ländereien wieder zu wirtschaftlicher Blüte verhelfen. Im Gegenzug wurde ihnen Unterstützung bei der Niederlassung und weitgehende Freiheiten wie langjährige Steuerminderung und die Befreiung vom Kriegsdienst versprochen. Die Hungerjahre 1770/72 und die damit verbundenen Teuerungen in Europa trieben ganze Dörfer aus Kurbayern donauabwärts ins scheinbar „gelobte Land“ an Donau und Theiss. Obwohl die Auswanderung in Bayern behördlich genehmigt werden musste und bei unerlaubter Emigration Vermögensverlust und bei möglicher Rückkehr Arbeitstrafen, ja sogar der Galgen drohte, sahen viele mittellose Menschen wie Dienstboten und Leerhäusler keine andere Möglichkeit so ihr Leben zu erhalten.

Für diese vorindustrielle Bevölkerungsbewegung durch Bayern hat sich der Begriff „Schwabenzüge“ eingebürgert. Aus dem heute zu Bayern gehörigen Landesteilen war vor allem das katholische Main-Franken vertreten. Auch in ihrer neuen Heimat blieben die „Donauschwaben“, so benannt wegen ihres Verschiffungshafens in Ulm, lange Zeit ihren Dialekten und Gebräuchen verhaftet.
Neben Ulm waren Regensburg und Passau die weiteren Sammel- und Einschiffungsplätze für deren Donau-Transfer. Zu Fuß oder auf Donauschiffen versuchten sie von dort das Temeschwarer Banat zu erreichen. Der Transfer von Mensch und Gut geschah hauptsächlich auf flachbodigen, kiellosen Booten mit spitzem Bug und Heck, den sog. „(Schwaben-)Zillen“. Sie wurden gewöhnlich nur für die Fahrt donauabwärts verwendet und dienten an ihren Zielorten als Brenn- oder Bauholz.

Nach Ende dem 2. WK erging es des Donauschwaben nicht viel anders als allen anderen deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen im nunmehr von Deutschen befreiten Ausland. Als „Heimatvertriebene“ wurden sie nach Deutschland und Österreich retransferiert. Willkommen waren sie in der „neuen Heimat“ anfänglich nur sehr bedingt.

Jahrhunderte lang, vom späten Mittelalter bis in der frühen Neuzeit (von 1250 bis 1750), wurden Graurinder aus der ungarischen Tiefebene entlang der Donau zu den Verbrauchern im heutigen Deutschland getrieben, um dort den gestiegenen Bedarf an Nahrungsmitteln, vor allem an Fleisch, zu decken. Die weißgraue Rasse mit ihren großen, ausladenden Hörnern wurde extra für diesen Treck gezüchtet. Sie ließen sich gut treiben und hatten einen höheren Fleischanteil als die einheimischen eher kleinwüchsigen Rinderrassen. In Ungarn fanden die Viehherden auf den großen Weideflächen der Puszten ausreichend Futter. Ackerbau konnte auf diesen kargen und oft salzigen Böden jedoch nicht betrieben werden. Hatten sie genügend Fleisch angesetzt, trieben sie berittene Treiber durch Flüsse, über Täler und Grenzen. Die Beschaffung von Futter und Wasser für ihre oft mehrere 100 Tiere großen Herden war eine logistische Meisterleistung. Die Bevölkerung, durch deren Gebiet diese Herden zogen, sahen nach Anzug dieser Viehtrecks eher das Resultat: kahl gefressene Weiden und verschmutztes Wasser.

Hochzeiten des Bedarfs an Rindfleisch waren die Reichstage des Heiligen Römischen Reich deutscher Nation in Nördlingen, Regensburg oder Nürnberg, zu denen die herrschenden Reichsfürsten zusammenkamen, um über das Schicksal Europas zu beraten. Die Städte erlebten dabei über mehrere Wochen einen enormen Zustrom auswärtiger Gäste, die sich nicht nur beraten, sondern auch feiern und gut essen wollten. Die heimische Landwirtschaft konnte diese Herausforderung an geforderter Qualität und Quantität von Lebensmitteln nicht erfüllen, so musste eben auswärts ausreichend Ersatz gesorgt werden.
Tourverlauf
So vorbildlich wie in Regensburg werden Radfahrer in Bayern nur selten geleitet. Vom Bahnhof aus führt ein breiter roter Radstreifen Richtung Innenstadt, flankiert von Hinweisschildern Haus der Bayerischen Geschichte und Donauradweg. So viel zu den Prioritäten für Radfahrer. Die Altstadt muss man schon selbst finden. Ist ja nicht weit und der Dom als Orientierungshilfe oft gut sichtbar. Vor dem Dom weist die Statue von König Ludwig I. schon mal auf den weiteren Wegverlauf hin.

Hinter dem Dom in der Tändlergasse 24 befindet sich der Wappenstein von Ulrich Schmidl, gewohnt hat er in der Wahlenstraße 23. Der in Straubing geborene Protestant Ulrich Schmidl (1510-1580) war einer der Endecker Argentiniens. Kaiser Karl IV. wollte der spanisch-wittelsbacher Krone das in Argentinien vermutete sagenhafte „Silberland“ sichern. Dazu stellte er ein Expeditionsheer unter Leitung von Pedro Mendoza mit 14 Schiffen und 2650 Mann auf. Unter den Schiffen befand sich auch eines der Nürnberger Kaufleute Welser und Neidhart, auf dem Schmidl 1533 anheuerte. Mehr als 20 Jahre trieb er sich daraufhin als Landsknecht (span. Conquistador) im heutigen Argentinien herum, raubte, tötete, brandschatzte, litt unter ständigen Hunger, versklavte gefangene Indianer und begründete nebenbei die Städte Buenos Aires (1536) und Asuncion (1537) mit. Erst ein Brief seines Bruders bewegte ihn zur Rückkehr nach Straubing. Hier verfasste unter dem Titel „wahrhafftige Historien einer wunderbaren Schifffahrt“ (auf Deutsch 1599) seine Erinnerungen an diese Zeit und wurde mit diesem Quellenwerk der erste Geschichtsschreiber Argentiniens und Paraguays. 1562 musste der nach dem im Augsburger Religionsfrieden von 1555 niedergelegten Rechtsprinzip des "Cuius regio, eius religio" seine Heimatstadt verlassen und siedelte in die freie Reichsstadt Regensburg um.

Zurück zum an der Eisernen Brücke gelegenen und erst kürzlich eingeweihten Haus der Bayerischen Geschichte quert man die Donau, verweilt noch ein bisschen an den hübschen Häusern der Wöhrdinseln und folgt der Ausschilderung Donauradweg. Leider leitet diese Ausschilderung auf den Radweg neben der vielspurigen Warhalla-Allee, die durch das Gewerbegebiet führt. Schöner ist der Weg nach der Regenbrücke, der nach der Einmündung des Regens in die Donau an dieser ein Stück entlang folgt und von der Holzgartenstraße in den Schwabelweiser Weg übergeht. Beide Wege treffen sich dann am Parkplatz der Donau Arena wieder.

Warhalla © Hans-Jürgen Hereth, 2023

Warhalla © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Ab jetzt kann man mit der Beschilderung eigentlich nichts mehr falsch machen. Zunächst wird Donaustauf und Wörth an der Donau angezeigt. Der geteerte Weg verläuft parallel zu den Poldern der Donau. Bald ist auch schon der Abzweig nach Donaustauf ab. Vorbei am Chinesischen Turm, durch die (menschenleere) Altstadt und dem historischen Armenspital, heute eine nette Wirtschaft mit Biergarten, geht es über 2 km sanft den Berg hinauf. Alternativ kann man wenig später auch das Fahrrad stehen lassen und die 358 Treppen zur Warhalla emporsteigen. So entgeht einem aber die schöne Abfahrt. Die Aussichten sind in beiden Varianten gleich schön. In diesem 1842 von König Ludwig I. eröffneten Ehrentempel der deutschen und europäischen Geschichte befinden sich unter den dort verwahrten 130 Marmorbüsten und 65 Gedenktafeln auch die von Jean Paul und Adalbert Stifter.

Schloss Wörth © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Weiter führt der Weg donauabwärts an dem kleinsten Weinbaugebiet Bayerns mit angeschlossenen Baierweinmuseum vorbei zum weithin sichtbaren Schloss Wörth. Hier lockt ein auf den Asphalt aufgemalter Hinweis auf radfahrerfreundliche Übernachtung und Bewirtung. Hinweise dieser Art finden sich im weiteren Wegverlauf noch viele. Schließlich befindet man sich hier auf einem der am meisten befahrenen Weitradwege. Leider führt dieser dann doch ein Stück direkt neben der Bundesautobahn entlang, aber auch das lässt bald nach.

Erstaunlicherweise scheinen sich auf dem Fahrradweg und den danebenliegenden Feldern und Biotopen auch Maulwürfe ganz wohl zu fühlen. Deren Verwerfungen habe ich zwar nicht gesehen, dafür ein am helllichten Tag den Weg querendes Exemplar und mehrere dem Verkehr erlegende. Kommt man an die Altarme der Donau, so begleitet einen das Jubilieren der Vögel. Die Donau fließt hier in Riesenschleifen durch die weite Ebene des Gäubodens mit seinen fetten Getreideböden. Ähnlich konstituiert sollen auch seine Bauern gewesen sein.

Jesus von Pondorf © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Die Ausschilderung ab Wörth lautet nun Straubing. Auf dem Weg dorthin kommt man zunächst in Pondorf mit seinem markanten Jesus vorbei, ehe der Weg nach Bogen oder Straubing verweist. Auch wenn man nicht den längeren Weg über Bogen auf sich nimmt, kommt man in (Straubing) Sossau mit seiner Wallfahtskirche vorbei. Und wie es sich für einen richtigen bayerischen Ort gehört, liegt direkt daneben ein Wirthaus mit Gartenbetrieb. Ganz in der Nähe muss die Ortschaft Puffer gelegen haben. Die lokalen Spezialitäten waren nicht die gleichnamigen frittierten und gerieben Kartoffeln, sondern Rüben, die sogar die berühmten Teltower an Geschmack übertreffen sollten. Doch der kulinarische Sehnsuchtsort ist auf keiner Karte mehr verzeichnet. Vielleicht haben ihn die Eingemeindung oder die Donau geschluckt.

Sraubing, Brücke © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Folgt man der Ausschilderung nach Straubing gelangt man zur Donaubrücke, an der Agnes Bernauer (1410 bis 1435) ertränkt wurde. Sie war die süßeste bayerische Versuchung vor Uschi Obermaier (Agnes Bernauer Torte), war die Geliebte und nach eigenen Angaben auch die Ehefrau von Herzog Albrecht III. Sie soll so schön gewesen sein, dass man von außen sehen konnte, wie der Rotwein ihre Kehle hinunterlief. Die „Hexe, Giftmischerin und Verführerin“ ließ Albrechts Vater, Ernst von Bayern-München, ohne rechtsfähiges Urteil aus genealogischen Gründen und denen der Staatsräson in Straubing von der äußeren Donaubrücke stürzen und in der Donau ertränken. Beschrieben ist das in anschaulich in einer alten Handschrift, die im Kloster Oberaltaich aufbewahrt wird: „Am 12. Oktober (wurde) auf Befehl Herzog Ernsts eine gewisse schöne Frau, Geliebte Herzog Albrechts genannt Bernawerin, von einer Donaubrücke gestürzt. Mit Hilfe eines Fußes, der nicht gefesselt war, schwamm sie ein Stück und kam dem Ufer nahe, wobei sie unter heiserem Röcheln rief: Helft, helft. Der Henker aber, der sie von der Brücke gestürzt hatte, lief am Donauufer herzu, und, weil er den heftigen Zorn Herzog Ernsts fürchtete, wickelte er eine lange Stange in ihr Haar und tauchte sie wieder unter.“ Wenig später heiratete Albrecht standesgemäß und sorgte auch für dementsprechenden Nachwuchs.

Straubing Herzogschloss © Hans-Jürgen Hereth, 2023

Straubing Bernauer Kapelle © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Gleich neben der Brücke befindet sich das ehemalige Herzogschloss mit dem Rittersaal. Wenige Meter davon entfernt ist die Karmeliterkirche mit dem Grabmal Herzog Albrechts. Agnes Bernauer, liegt standesgemäß in ordentlicher Entfernung auf dem Peterskirchhof begraben. Zumindest befindet sich dort in der wegen Vandalismus nicht zugänglichen Kapelle ihre Grabplatte. Bei diesem historischen christlichen Kirchhof/Friedhof glaubt man sich eher auf einen jüdischen zu befinden. So alt und verwittert sind die Grabsteine und so dicht stehen sie zusammen. Da sich auf dem Gelände das Friedhofs aber auch ein Wohnhaus befindet, kann es vorkommen, dass zwischen den Gräbern die zum Trocknen aufgespannte Wäsche im Wind flattert. In jeden Fall ist kann man sich hier „aus der Zeit nehmen“. In unmittelbarer Nähe zur Kirche befinden sich Gebäude der der TU Münchens. Modern kann man auch schön bauen. Student möchte man hier gerne sein.
Aber wenn man sich nun schon in der Gegend befindet darf man den „Heiligen Berg“ der Niederbayern nicht auslassen. Also zunächst von Sossau nach Bogen. Hier führt der Weg zunächst ein Stück auf dem Donaudamm entlang und gewährt ungewohnte Ausblicke auf Straubing. Zunächst kommt man jedoch am ehemaligen Kloster Oberaltaich mit seine Kirche Peter und Paul vorbei. Hier begegnet man auf einem Gemälde Wolfs- und Hundegestalten mit Menschenköpfen und dicken Wolkenkragen, die Ketzer darstellen sollen und Herr Luther als Repräsentant des vom Katholizismus abgefallenen Straubings galoppiert auf einem Schwein zur Abschreckung der Gemeinde durch die Lüfte.

In Niederaltteich, auch dies eine Benediktinerabtei, wird einem ihrer letzten Prälaten, Augustin Ziegler, gedacht. Er kaufte sich den Titel „Exzellenz“, verprasste die Einkünfte des Klosters in Höhe von 180.000 Gulden, führte dazu noch eine halbe Million auf sein Privatkonto um, wurde schließlich abgesetzt und diente als Rentner mit 200 Dukaten weiterhin „in Ruhe dem Herrn“. Kommt einem das bekannt vor? Schuld an der moralischen Verkommenheit dieser Gegend, wo jedes fünfte oder sechste Kind unehelich zur Welt kam, waren natürlich die Frauen. Ihr Röcke waren angeblich zu kurz, da konnte ein „richtiger“ Mann natürlich nicht mehr an sich halten.

Bogenberg © Hans-Jürgen Hereth, 2023

Blick auf den Bogenberg © Hans-Jürgen Hereth, 2023
In Bogen angekommen, folgt man der Ausschilderung Deggendorf. Zwar ist der Bogenberg mit seiner Kirche immer gut sichtbar, von Bogen führten aber nur Wanderwege hinauf. Den Berg umfährt man bis zur Abzweigung nach St. Englmar. Wenig später muss man diese viel befahrene Bundesstraße queren, um zum Bogenberg zu gelangen.

Das Bogener Gnadenbild soll hier entgegen der Fließrichtung der Donau aufrecht stehend am Marienstein angeschwemmt worden sein. Aufgestellt wurde das Gnadenbild zunächst in der Schlosskapelle von Graf Albert I. Heute befindet es sich rechts vom Gnadenaltar in einer Nische. Um das Wunder komplett zu machen, wurde um 1400 ein weiters Gnadenbild des Tpyus „maria gravida“ in Auftrag gegeben. Es stellt die schwangere Maria dar. Ein in ihrem Leib eingeschnittene Öffnung zeigt das Jesuskind. Die Kirche gilt ob dieses Wunders als die älteste Marienwallfahrtskirche in Bayern, der Bogenberg somit als der Heilige Berg Niederbayerns. Der von Oberbayern ist Andechs. Deshalb ist die Straße hinauf zu ihr breit und gut ausgebaut. Doch im Gegensatz zu Andechs befindet sich hier keine umtriebige Gastronomie. Die „Schöne Aussicht“ ist dauerhaft geschlossen, so dass nur das geistige „Manna“ bleibt. Wie in Altötting brachte das Wunder dem Ort viele Pilger und viel Geld. Von 1475 bis heute wird hier auch noch die Holzkirchner Kerzenwallfahrt abgehalten. Über 75 km lang wird eine 13 Meter hohe und einen Zentner schwere Kerze (ein enormer weißer Phallus) nach Bogen getragen. Sie soll gegen den Borkenkäfer (den gab es damals auch schon) helfen. Aufgestellt wird sie für 2 Jahre am Bogenberg. Fällt sie um, wird es ein Unglück geben. 1913 und 1938 soll dies der Fall gewesen sein.
1,5 km ging es den „Berg“ hinauf, doch Aussicht und Kulturgenuss entschädigen dafür wie schon bei der Warhalla – und die Abfahrt steht ja noch bevor. Sie endet wieder am Donauradweg. Jetzt wird es ein wenig kitzelig, da man auf die Bundesstraße wechseln muss, um die Donau überqueren zu können. An der Ampel geht es links zur Bundesstraße und dort rechts Richtung Straßkirchen. Auf der langen Donau-Brücke gibt es einen abgetrennten Fußgängerweg, den man auch als Radfahrer benutzen kann. Gleich nach der Brücke führt eine Straße links nach Hermannsdorf und diese an der Donau weiter nach Hunderdorf, von dem aus man vorbei am Hafen Straubing in den Vorort Ittling gelang. Hier folgt die Ausschilderung in die Innenstadt der Schlesischen Straße fast bis zur Kirche St. Peter und dessen Friedhof.

Zunächst führt der Radweg vorbei am Turmair-Gymnasium. Benannt ist es nach dem „Abenteurer, Beutelschneider und Scharlatan“, dem Gossersdorfer Bauernsohn Johann Kaspar Thürriegel (1722-1800). Mit 20 Jahren, mitten im Siebenjährigen Krieg, kämpfte er zunächst für das preußische Freikorps Gschray, wechselte bald aber die Fronten und brachte es als Spion in französischen Diensten zum Oberstleutnant. Er wechselte erneut die Seiten und konnte 1767 Karl III, König von Spanien, davon überzeugen, die von den Mauren aufgegebenen Gegenden in der Sierra Morena und Andalusien mit„wertvollen katholischen Arbeitern“ zu kolonisieren. Mit einer entsprechenden Vollmacht ausgerüstet, warb er im süddeutschen Raum, in der Schweiz und Flandern 7000 vorwiegend aus der Unterschicht stammende Neusiedler an, denen er ein besseres Leben versprach. Die absolutistischen Landesherren der von der Abwanderungen betroffenen Gebiete sahen seinen „Humanismus“ mit anderen Augen. Sie bezichtigten ihn des Landesverrats wegen des Entzugs von Einwohnern. Kaiserin Maria Theresia drohte ihm gar mit dem Galgen, sollte er ihre Landeskinder anwerben. Als Europäer, wie er sich wohl heute gesehen hätte, wollte er die Fesseln der Nationalstaaten sprengen. Immerhin bewirkte sein Handeln, das in der ersten bayerischen Verfassung (1818) ein Artikel aufgenommen wurde, der es den Untertanen erlaubte, auszuwandern und sich in die Dienste eines anderen Landes zu begeben.

Durch seinen menschlichen Transferhandel wurde er reich. Seine Frau ernannte er selbstherrlich zur Gräfin. Doch das Heimweh blieb. Da halfen auch die großen Summen Geldes, die er nach Gosserdorf und die vielen Fässer Malagawein an den Grafen Spreti schickte, nichts. 1787 verließ ihn sein Glück. Wegen eines Zollvergehens wurde er zu zehnjähriger Festungshaft verurteilt, konnte fliehen und den Kaiser um Gnade bitten, die sich als minder schwere Haft erwies. 1800 starb er in der Festung von Pamplona.
Vollgepackt mit Geschichten geht es weiter entlang der Donau bis zur Brücke mit dem ehemaligen Herzogschloss. Der Stadtgraben und die Kolbstraße führen als Verlängerung der Brücke direkt zum Bahnhof.
 
Sehenswürdigkeiten: Dom Regensburg, Warhalla in Donaustauf, Wallfahrtskirche Sossau, Bogenberg, Peterskirchhof Straubing
Einkehrmöglichkeiten: Alte Linde Regensburg, Bischofshof beim Dom, Historischen Armenspital Donaustauf, Landgasthof Reisinger Sossau
 
Kochen kann man natürlich auch selber. Als Anregung der Esterhazy Rostbraten aus dem Rezeptbuch der Donauschwaben:
Schnitte aus der Ochsenzwischenrippe geklopft, gesalzen. gepfeffert, mit Schweinefett schnell abgebraten; in eine Kasserolle gelegt, überdeckt mit in Schweinfett gebratenen Zwiebelscheiben, Gelbe Rüben und Petersilienwurzeln, bestäubt mit Mehl und Paprika; Suppe oder Wasser aufgefüllt, gedünstet; dann in eine andere Kasserolle umgelegt, bedeckt mit der durch passierten Sauce mit Streifen von Sellerie, Petersilienwurzeln, Gelben Rüben, Zwiebeln, Zitronenscheiben, Kapern und Rahm; Reis, Nockerl oder Makkaroni als Beilage
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