druckkopf

Niederbayern
Zwischen Inn und Salzach
Von Schärding bis Passau
 
Auf dem Weg: 1 Beerdigung, 1 Hochzeit, 1 Rehbock, 1 Hase, 5 Bekassinen. Gefahren durch das Habitat von Seeadler und Biber, von Kubin und Prantl und in Passau die nicht mehr „säugende“ Maria besucht. Dabei dem Inn bei der Vereinigung mit der Donau zugesehen und über ein „was wäre wenn“ bei einem Bier in der Altstadt sinniert. Eine unangestrengte Tour auf Kies- und Teerwegen zu beiden Seiten des Inns an schönen geschichtsträchtigen Städten. Kleine Anstiege ermöglichen weite Einsichten in die Flusslandschaft. Der Innradweg ist durchgängig gut ausgeschildert.

In Passau laufen alle Flussradwege zusammen, ebenso wie die Stadt gerne von ihren Flüssen geflutet wird. Der Donauradweg, der den der Isar aufgenommen hat, hat hier Zwischenstation, der Innradweg endet hier. Von hier aus geht es die Itz hinauf in den Bayerischen Wald und nach Böhmen in die Sumava. Grund genug auch den äußersten Osten des süddeutschen Raums mit einem Weg zu würdigen. Außerdem ist der Weg ist bis auf einige Ausnahmen nahezu bretteleben.

Morgennebel in Ering © Hans-Jürgen Hereth 2023

natura 2000 © Hans-Jürgen Hereth 2023
Von Passau geht es auf der deutschen, der linken Innseite stromaufwärts nach Neuburg und Neuhaus und von dort weiter in das Zentrum des bayerischen Bäderdreiecks, nach Bad Füssing. Flussaufwärts zwischen Simbach und Ering ist ein weites Naturschutzgebiet am Inn entstanden, der Eglsee. Auf einem extra erstellten Vogelbeobachtungsturm aus kann man mit etwas Glück sogar Seeadler beobachten und auf dem anschließenden Dammweg man weit in die Auen schauen. In Ering mit seinem Besucherzentrum Naturium wechselt man auf dem Stauwehr die Innseite und kann in der Burgschenke Frauenstein erst einmal vespern. Auf dem Römerweg geht es vorbei an jahrhunderte alten Eichen über Mining (Abstecher zum Römer Museum in Altheim) und dem ziemlich „verhauten“ Schloß Katzenberg (Menü 8 Euro) zur Innüberquerung bei Egglfing.

Obernberg © Hans-Jürgen Hereth 2023

der Vermieset von Obernberg © Hans-Jürgen Hereth 2023
Auf der österreichischen Seite in Obernberg wartet dann gleich eine Überraschung. An der Brücke liegt die leider verschlossene Schifferkapelle und in räumlicher Nähe 2 Bordelle. Was von weiten wie eine Burg aussieht, entpuppt sich aus der Nähe als ziemlicher Stilmix. Nepalesische Goldkuppeln wechseln sich mit Schlafwandlerlaternen ab. Ob das auch ein Puff ist oder einfach nur schlechter privater Geschmack erschließt sich nicht. Mehr Geschmack haben nach dem Marktbrand die damaligen Bewohner bewiesen. Seine Rokokofassaden wie die des Apotheker- und Schiffmeisterhaus zieren den angeblichen schönsten Marktplatz Österreichs. Vor dem Tor der Stadt in der Pfarrkirche wird zweier „vermiester“ aus dem 1. Weltkrieg gedacht. Hat man denen die Rückkehr vermiest und sie sind deshalb nicht zurückgekommen oder wurden sie „nur“ vermisst?

Kloster Reichersberg © Hans-Jürgen Hereth 2023

Brunnen Reichersberg © Hans-Jürgen Hereth 2023
Nicht weit davon entfernt, durch einen kurzen knackigen Aufstieg zu erreichen, liegt das Stift Reichersberg mit seinem den Teufel besiegenden Michael als zentraler Brunnenskulptur. Das Stift bietet nicht nur ein reichhaltiges Kursprogramm an, sein Garten lädt zur inneren und seine Gästezimmer zur wohnlichen Einkehr ein. Das Bier ist von Kloster Weltenburg und die Aussicht ist göttlich. Was will man mehr? Vielleicht einen besseren Service und nicht nur eine Jausenkarte, auf Nachfrage dem dauerhaften Personalmangel geschuldet. Wers glaubt wird seelig, aber nicht satt.

Weiter führt der Weg nun leider ein ganzes Stück an der Autobahn entlang. Die dortig Autobahnraststätte Stuben bietet auch Radlern den Besuch an. Braucht man aber eigentlich nicht zwinglich. Dafür dann doch lieber zum nicht weit entfernten Gasthof zur 1000 jährigen Linde in St. Marienkirchen. Wenig später wird man noch auf die Biberhabitate in den Auen und den Seitenarmen des Inns aufmerksam gemacht. In den Maisfeldern sieht man, dass die „Süßzähne“ sich auch von einem Steilufer nicht von ihrer Leibspeise abhalten lassen.

Schärdinger Bumsn © Hans-Jürgen Hereth 2023

Neuhaus am Inn © Hans-Jürgen Hereth 2023
In Stuben hat man die Autobahn endlich hinter sich gelassen. Weiter geht es wie bisher auf manchmal schmalen Wirtschaftswegen nach Schärding. Bis hierher gab es wenig Mitradler. Das ändert sich aber, vielleicht lag es auch nur an der Tageszeit. Komischerweise kommen einem die meisten flussaufwärts entgegen. Dem E-Bike sei Dank. Schärding ist schon wesentlich belebter als die Orte vorher. Hier legen auch die Ausflugsschiffe auf dem Inn nach Passau ab. Auf deutscher Seite glänzt Schloss Neuhaus im Inn. Nun ist es nicht mehr weit bis Passau.
 
Neuburg liegt im Landschaftsschutzgebiet „Vornbacher Enge“ und dem Europareservat „Unterer Inn“, Der „Mariensteig“, eine futuristische Fahrradbrücke führt über den Inn nach Bayern. Darüber ragt Schloß Neuburg, 1050 erbaut. Bis zur Säkularisation gehörte es dem Fürstbistum Passau und ist heute Tagungszentrum der Universität Passau.

Wernstein Mariensteg © Hans-Jürgen Hereth 2023

Wernstein Kubin © Hans-Jürgen Hereth 2023
Wenig später kommt man nach Wernstein. Es hat nicht nur die berühmte Mariensäule und die namensgleiche Burg zu bieten, sondern auch noch ein ganz spezielles Juwel. Die Pfarrkirche haben 1967 Karl Prantl und der Rudolf Kolbitsch neu ausgestaltet. Während der international bekannte Bildhauer Prantl die Marmorblöcke für den Altarraum schuf, stammen die bunten Glasfenster von Kolbitsch. Sofort ist man von dem Raum gefangen und wird von der meditativen Kraft angezogen. Hinter der Kirche geht es 2 Kilometer bei 10% Steigung hinauf nach Zwickledt. Wer hätte gedacht, dass sich eines der Gründungsmitglieder des Blauen Reiters hierher zurückgezogen hat. Noch in den 1980er Jahren führte einem die Haushälterin von Alfred Kubin durch sein Wohnhaus, als wäre er gerade einmal kurz weggegangen. Auch heute noch erhält man einen authentischen Eindruck seiner Lebens- und Arbeitsumstände.
Wenig später kommt man nach Wernstein. Es hat nicht nur die berühmte Mariensäule und die namensgleiche Burg zu bieten, sondern auch noch ein ganz spezielles Juwel. Die Pfarrkirche haben 1967 Karl Prantl und der Rudolf Kolbitsch neu ausgestaltet. Während der international bekannte Bildhauer Prantl die Marmorblöcke für den Altarraum schuf, stammen die bunten Glasfenster von Kolbitsch. Sofort ist man von dem Raum gefangen und wird von der meditativen Kraft angezogen. Hinter der Kirche geht es 2 Kilometer bei 10% Steigung hinauf nach Zwickledt. Wer hätte gedacht, dass sich eines der Gründungsmitglieder des Blauen Reiters hierher zurückgezogen hat. Noch in den 1980er Jahren führte einem die Haushälterin von Alfred Kubin durch sein Wohnhaus, als wäre er gerade einmal kurz weggegangen. Auch heute erhält man noch einen authentischen Eindruck seiner Lebens- und Arbeitsumstände.

Passau Mariahilf © Hans-Jürgen Hereth 2023

Passau Mariahilf Brunnen © Hans-Jürgen Hereth 2023
Auf der Bundesstraße kommt man von hier aus direkt in Passau und der Wallfahrtskirche Maria Hilf heraus. Das ist dann die mit die Abstand steilste Abfahrt auf dem Weg und der Gegenhang wartet noch. Die Autos sind so nahe an Passau auch nicht unbedingt geduldig. Also doch lieber zurück nach Wernstein und von dort auf der rechten Innseite nach Passau. Schon von Weiten sieht man den Dom und die Burg. Noch einmal geht es bergab, vorbei am Friedhof und dem Römer-Museum zur Mariahilferstraße. Den Weg bergauf zur gleichnamigen Wallfahrtskirche muss man sich aber schwer erarbeiten. Zunächst ist man etwas enttäuscht, weil das Gnadenbild der Muttergottes kein „Brustwasser“ mehr spendet. Früher konnte man nämlich direkt aus Marias Brust aus einem silbernen Röhrchen Wasser trinken. Der heilige Bambino selbst nuckelte an der anderen Brust. Da das uns Heutige wohl etwas seltsam und anstößig vorgekommen ist, hat man den Brunnen abgebaut, die Brust „ummantelt“ und Maria mit Kind steht „anständig“ im Hof in einer Nische. Früher war eben alles anders.
 
1622 erlebte ein Pater eine Vision mit Engelsreigen, Lichtern, Stimmen und Musik und errichtete daraufhin einer Kapelle. Die Grundsteinlegung von Maria Hilf war 1624 und bis ins 18. JH hinein pilgerten jährlich bis zu 120.000 Kommunikanten zu der Kopie des Gnadenbildes von Lukas Cranach. Diese Wallfahrt ist die erste in Deutschland, die auch diesen Namen trägt, auch wenn schon 1571 Maria für den Schutz/Beistand der Christen gegen die Türken mit dem Ehrentitel „Hilfe der Christen“ versehen wurde. Auch in den Pestjahren (1634) und im 30 jährigen Krieg soll sie Menschen geholfen, sie sogar aus türkischer Gefangenschaft und Sklaverei befreit haben. Das ist zwar sonst die Aufgabe des Hl Leonhard, aber diese Kompetenzüberschreitung wird von wohl von hoher Seite abgeklärt worden sein. Mit Beginn der Belagerung von Wien hat auch Kaiser Leopold I.1683 hier um ihre Hilfe gebeten – mit Erfolg, wie die an der Kirchenwand zu sehenden türkischen Waffen belegen. Bis in heutige Zeit werden die wunderbaren Gnadenerweisungen der heiligen Mutter in gedruckten Büchern dokumentiert. Wie fleißig sie mit ihren Hilfsbemühungen gewesen ist, bezeugen nicht nur die vielen Votivtafeln an den Wänden des Stufengangs, sondern auch die schönen alten ex voti in der Kapelle. Von der Donau aus ist sie über eine 264 Stufen lange überdachten hölzerne Stiege zu erreichen.

Passau, was wäre wenn Ufer © Hans-Jürgen Hereth 2023
Mit quietschenden Bremsen geht es bergab zur Kapuzinerstraße an der Innpromenade. Kein Schild verweist auf das große „Wenn“.
 
was wäre wenn...?.
An einem Januartag im Jahr 1894 spielte ein vierjähriger Junge am Passauer Innufer. Sein Vater, die Familie lebte in der heutigen Kapuzinerstraße, ist Zollbeamter. Der Fluss ist vereist und hat starke Strömung. Der spielende Knabe fällt in den Fluss und geht unter. Ein anderer vierjähriger Knabe, der spätere Domkapellmeister Johann Nepomuk Kühberger sieht das und rettet ihn. Der Gerettete ist Adolf Hitler. Seit diesem Tag fragt sich Kühberger immer wieder: was wäre, wenn er ihn nicht gerettet hätte? Diese Geschichte oder vielmehr deren Legende davon hat die „Netzbeschmutzerin“ Anna Elisabeth Rosmus vor ihrer Auswanderung in die USA 1994 aufgedeckt. In einem Rundfunk Feature des BR wurde dem Ereignis 2018 noch einmal nachgegangen.

Passau Altstadt © Hans-Jürgen Hereth 2023

Passau Grab Gisela © Hans-Jürgen Hereth 2023
Nach Überquerung der Brücke befindet man sich direkt in der Altstadt, berühmt für ihre Wasserstandsmeldungen bei den jährlich stattfindenden Hochwassern. Aber schön und geschichtsträchtig ist es dort schon. Das hat sich nicht nur bei den Studenten, sondern auch den Touristen herumgesprochen. Deshalb legen hier auch die Flußkreuzfahrtschiffe der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft an.
 
Die Altstadt liegt auf der Halbinsel zwischen den Flüssen Ilz, Donau und Inn und wirkt mit ihren engen Gassen wie ein steingewordenes Massiv, umkrönt von zentralen Dom. Er ist nach dem Hl. Stephan, dem König von Ungarn, Christianisier seiner Untertanen und bis heute ihr Volksheiliger, benannt. Seine ebenso selig gesprochene Frau Gisela ist in der Heilig-Kreuz-Kirche beerdigt. Um 1000 n. Chr. reichte das ungarische Königtum über Wien bis nach Passau. Deshalb steht der berühmtere Dom in Wien auch unter seinem Patronat. Tempi pasati. Doch die Ungarn sind neuerdings wieder auf dem Vormarsch. Sie besuchen verstärkt das Kloster Niedernburg, das ehemals zu den traditionsreichsten sakralen Stätten Bayerns und Böhmens zählte. Erbaut wurde es auf einem römischen Militärbau.
 
Eine neuartige Technik führte 1678 die Künstlerfamilie Carlone ein: fresco all fresco. Weil der Gips durch die Beimischung von Wein länger nass blieb, konnten sie länger arbeiten. Und flott waren sie dazu. In nur 25 Tagen hatten sie die ganze Kuppel des Doms stukkatiert.

Passau Scharfrichterhaus © Hans-Jürgen Hereth 2023
Und so muffig wie in den 50er Jahren, so eng wie die Gassen, war der Filz zwischen Partei und Kirche hier. Dass dem nicht mehr so ist, dafür haben unter anderen die Studenten gesorgt. Und Köpfe werden im ehemaligen Gefängnis, dem Scharfrichterhaus, auch keine mehr abgeschlagen. Aber der eine oder andere „Großkopferte“ hat hier aber dennoch sein Gesicht und seinen Kontenance verloren. Leider in Vergessenheit geraten ist der „Passauer Tölpel“, eine kolossale Larve mit aufgerissenen Maul, dem Wahrzeichen der Handwerksburschen. Was sich aber über die Jahrhundert nicht verändert haben soll, ist der Schönheit der Passauerinnen. Frei nach Horaz wurden sie bedichtet:
 
Nicht bloß im Sachsenlande
gibt´s Mädchen fein und schön
man kann am Donaustrande
sie noch weit schöner sehn!
 
 
Sehenswürdigkeiten: Alfred Kubin Haus, Zwickledt, Altstadt Obernberg, Stift Reichersberg, Schärding, Maria Hilf, Passau, Scharfrichterhaus Passau
Einkehrmöglichkeiten: Stift Reichersberg, Gasthof zur 1000 jährigen Linde St. Marienkirchen, wo immer mach will in Passau
Von Schärding bis Passau Von Schärding bis Passau (pdf - 215kb)